Huawei hat mit dem Mate 20 Pro für Furore gesorgt. Doch nicht jeder ist bereit, gleich knapp 1.000 Euro für ein neues Smartphone auszugeben. Passenderweise hat der chinesische Hersteller mit dem Mate 20 ein um 200 Euro günstigeres, aber auf dem Papier ähnliches Modell im Angebot. Das klingt verlockend. Hat das Mate 20 gar das Potenzial zum Flagship-Killer? Ein Test.
2017 brachte Huawei nur das Mate 10 Pro und das Mate 10 Lite auf den deutschen Markt. Das reguläre Mate 10 wurde hierzulande nicht angeboten. Von der neuen Mate 20-Serie kommen dagegen alle Modelle in den deutschen Handel - also auch das reguläre Mate 20. Eine weise Entscheidung von Huawei: Denn schließlich ist nicht jeder Nutzer bereit, für ein neues Top-Smartphone 1.000 Euro oder mehr zu bezahlen.
Zwar gibt es mit dem Mate 20 Lite bereits eine preiswerte Alternative zu den Topmodellen Mate 20 Pro und Mate 20 RS, doch ist diese in Ausstattung und Funktionsumfang im Vergleich doch arg beschränkt. Eine weniger Kompromiss-behaftete Lösung ist das Mate 20. Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 799 Euro ist es zwar kein Flaggschiff zum Kampfpreis wie etwa das OnePlus 6T oder das Pocophone F1 von Xiaomi, aber eben doch günstiger als vergleichbare Modelle der Konkurrenten Apple und Samsung. Zum Vergleich: Die Preise für das günstigere iPhone-Modell XR beginnen bei 849 Euro.
Worauf ihr für den niedrigeren Preis beim Mate 20 im Vergleich zum Pro-Modell verzichten müsst und wie sich das Smartphone im Alltag schlägt, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Design und Verarbeitung
Anders als die Apple-Smartphones iPhone XR, XS und XS Max oder Samsungs Galaxy S9 und Galaxy S9 Plus weisen Mate 20 und Mate 20 Pro keine einheitliche Designsprache auf. Dies wird gleich beim ersten Anblick deutlich. Mit seinem 6,53 Zoll großen von Huawei als DewDrop bezeichenten Display wirkt das Gerät ästhetischer als das Pro-Modell. Denn im Gegensatz zu diesem weist das Mate 20 nur eine winzig kleine Einkerbung in Form einer Träne im Bildschirm auf. "Huaweis Ziel ist es, die Einkerbung im Screen immer so klein wie möglich zu halten", sagte Vizepräsident Bruce Li in einem Gespräch mit netzwelt am Rande des Launch-Events Mitte Oktober in London. Dies ist dem Hersteller beim Mate 20 eindrucksvoll gelungen. Ihr werdet den "Tropfen" im Alltag nach einiger Zeit gar nicht mehr bemerken, ganz im Gegensatz zur breiten Einkerbung des Pro-Modells.
So filigran wie das Pro-Modell ist das Mate 20 aber nicht. So ist das günstigere Mate 20 satte fünf Millimeter breiter als das teurere Modell. Dies liegt nicht allein an der größeren Bilddiagonale, sondern ist auch dem Umstand geschuldet, dass Huawei beim regulären Modell ein gewöhnliches Display mit flachen Bildschirmkanten und keinen Edge-Screen im Stile des Note 9 wie beim Pro-Modell verbaut.
Dennoch lässt sich das Mate 20 auch mit kleinen Händen noch gut umgreifen und ruht in diesen sicher. Dafür sorgt die leicht gewölbte Rückseite, mit der sich das Handy sanft in eure Hand schmiegt. Einschalter und Lautstärkeregler sind am rechten Gehäuserand platziert. Während sich der Einschalter problemlos mit dem Daumen der rechten oder dem Zeigefinger der linken Hand erreichen lässt, sind die Lauter- und die Leiser-Tasten unserem Geschmack nach etwas zu hoch platziert. Sie lassen sich mit ein wenig Fingerakrobatik zwar erreichen, bequem ist dies aber nicht unbedingt.
Wer den Rahmen des Mate 20 betrachtet, wird an der linken Seite auf einen Einschub für SIM- und Speicherkarte, an der Unterseite auf einen Lautsprecher und einen USB C-Port und an der Oberseite auf eine Kopfhörerbuchse sowie einen Infrarotsensor stoßen. Zudem befinden sich jeweils zwei Mikrofone an Ober- und Unterseite. Auf der Rückseite findet sich eine Triple-Kamera, inklusive Foto-LED. Die drei Linsen sowie die Fotodiode sind quadratisch in Form eines Scheinwerfers angeordnet. Unterhalb der Kamera befindet sich der Fingerabdrucksensor.
Ausstattung, Leistung und Bedienung
Gefertigt ist der Rahmen des Handys aus Metall. Die Rückseite besteht aus Glas. Erhältlich ist das Mate 20 in den Farben Black (Schwarz), Midnight Blue (Blau), Twilight (regenbogenartiger Farbverlauf). Die blaue Farbvariante soll durch eine spezielle Glasstruktur besser gegen Fingerabdrücke gefeilt sein. Überprüfen konnten wir dies nicht, bei unserem Testgerät handelte es sich um die schwarze Farbvariante. Die bei der Präsentation in London ebenfalls gezeigten Farbvarianten Grün und Pink sind vorerst nicht für den deutschen Markt vorgesehen. Das Gehäuse des Mate 20 ist gemäß IP53 gegen Spritzwasser geschützt. Untertauchen solltet ihr das Handy aber nicht, das erlaubt nur das Pro-Modell.
Display
Der Screen des Mate 20 unterscheidet sich nicht nur optisch von dem des Pro-Modells, sondern auch technisch. So ist hier kein AMOLED-Bildschirm, sondern ein LC-Display verbaut. So leuchtstark wie beim Mate 20 Pro ist die Anzeige daher nicht, dennoch reichte die Helligkeit in der Regel aus, um den Bildschirm auch im Freien abzulesen. Nur vereinzelt kam es hier zu Problemen, die sich durch ein leichtes Neigen oder Drehen des Smartphones schnell aus der Welt schaffen ließen. Die Farbdarstellung fällt ebenfalls etwas blasser aus, bleibt dabei aber aus jedem Blickwinkel stabil.
Die Auflösung ist mit 2.244 x 1.080 Pixeln zwar deutlich geringer als beim Pro-Modell, die Anzahl der Pixel ist dennoch für eine scharfe Darstellung mehr als ausreichend. In dieser Hinsicht konnten wir keine Unterscheide zum Pro-Modell feststellen.
Performance
Das Mate 20 bot im Test dieselbe Leistung wie das Mate 20 Pro. Kein Wunder, schließlich werkelt auch im günstigeren Modell der neue im 7-Nanometer-Verfahren gefertigte Octa-Core-Chip Kirin 980. Welche Leistung ihr von diesem erwarten dürft, zeigt der folgende erste Benchmark-Vergleich. Demnach hat das Mate 20 gute Chancen auf den Titel des schnellsten Android-Smartphones 2018. Zumal die hier gezeigten Werte im regulären Betrieb gemessen wurden, in den Einstellungen lässt sich auch ein Hochleistungsmodus aktivieren, dann knackt das Mate 20 bei AnTuTu die 300.000-Punkte-Marke.
Benchmark/Handy | Huawei P20 Pro | Huawei Mate 20 (Pro) | Galaxy Note 9 | Apple iPhone XS Max |
---|---|---|---|---|
GeekBench (Single-Core) | 1.915 Punkte | 3.232 Punkte | 3.595 Punkte | 4.732 Punkte |
GeekBench (Multi-Core) | 6.780 Punkte | 9.786 Punkte | 9.071 Punkte | 11.212 Punkte |
AnTuTu | 209.015 Punkte | 271.958 Punkte | 247.814 Punkte | 358.855 Punkte |
Speicher
Beachtet jedoch, dass Huawei im Vergleich zum Mate 20 Pro den Arbeitsspeicher verkleinert hat. Statt 6 Gigabyte sind im regulären Modell nur 4 Gigabyte verbaut. Unter Last kann die Leistung des Mate 20 also im Vergleich leicht abfallen. Keine Abstriche müsst ihr beim Gerätespeicher machen, er misst 128 Gigabyte und lässt sich bei Bedarf noch per Nano-Speicherkarte erweitern.
Bei der NM-Karte handelt es sich um ein neues Speicherkartenformat, das Huawei entwickelt hat. NM-Karten sind so groß wie eine Nano-SIM-Karte. Abseits der Größe bieten die neuen Speicherkarten aber keine Vorteile gegenüber den herkömmlichen microSD-Karten. Sie sind weder schneller, noch besitzen sie mehr Kapazität. Dafür sind sie aber teurer als vergleichbare microSD-Karten.
Software
Als Betriebssystem ist auf dem Mate 20 das aktuelle Android 9 Pie installiert. Der letzte Sicherheitspatch stammt aus dem Oktober. Damit ist das Gerät zwar nicht ganz aktuell aber deutlich aktueller als viele andere Android-Smartphones. Huawei überzieht das Handy-OS jedoch mit einer sehr eigenwilligen Nutzeroberfläche. Die sogenannte EMUI orientiert sich bei Nutzerführung und Optik stark an iOS. Das zwingt Android-Nutzer hier und da zum Umdenken.
Wir haben den Screen des Mate 20 bereits für die nur winzige Einkerbung gelobt, dafür müsst ihr aber in Kauf nehmen, dass das Gerät nur über eine 2D-Gesichtserkennung verfügt. Wie andere Android-Handys nutzt Huawei hierfür die Frontkamera. Diese Methode ist im Vergleich zu einer 3D-Gesichtserkennung wie Apples Face ID unsicherer. Sie ließ sich auf Konkurrenzmodellen mit einem Selfie verhältnismäßig einfach überlisten. Wer dennoch auf Face Unlock vertrauen will, sollte sensible Apps zusätzlich mit seinem Fingerabdruck schützen.
Sprachqualität
Die Sprachqualität des Mate 20 reicht nicht an die des Pro-Modells heran. Zwar filtert das Handy Autolärm dank seiner vier Mikrofone sehr gut aus Gesprächen heraus, mit Windböen kommt es aber nicht so gut zurecht. Die Geräuschunterdrückung senkt zudem die Sprachqualität, da der Gesprächspartner und die eigene Stimme nicht so voluminös durch die Leitung dringen. Immerhin unterstützt das Mate 20 VoLTE.
Wahlweise könnt ihr übrigens statt einer Speicherkarte auch eine zweite Nano-SIM in euer Gerät einlegen und das Mate 20 als Dual-SIM-Handy nutzen.
Akkulaufzeit
Das Mate 20 bietet einen 4.000-Milliamperestunden-Akku. Im Test zeigte dieser sich extrem ausdauernd und erreichte bei PCMark eine Laufzeit mit eingeschaltetem Display von 18 Stunden und 9 Minuten. Ein rekordverdächtiger Wert. Unsere Eindrücke aus dem Testbetrieb bestätigen die "Laborwerte". Selbst bei intensiver Nutzung werdet ihr mit dem Mate 20 durch den Tag kommen - ohne nachladen zu müssen. Je nach Nutzungsintensität sind sogar bis zu zwei Tage Laufzeit drin.
Wireless Charging bleibt ebenso wie die neue 40-Watt-Schnellladetechnik dem Mate 20 Pro vorbehalten. Dem Mate 20 liegt nur ein 22-Watt-Super-Charger bei, ein vollständiger Ladezyklus mit diesem dauerte bei uns im Test knapp 120 Minuten. Mit dem 40-Watt-Netzteil des Mate 20 Pro verkürzte sich die Ladezeit auf 97 Minuten. Leider verkauft Huawei dieses aktuell aber noch nicht einzeln. Das ist ärgerlich, lässt sich aber verschmerzen.
Kamera
Schwerer wiegen dagegen aus unserer Sicht die Unterschiede zwischen Mate 20 und Mate 20 Pro in Sachen Kamera. Zwar weist auch das reguläre Modell eine Triple-Kamera auf der Rückseite auf. Auflösung und Brennweite fällt aber deutlich geringer aus als beim Mate 20 Pro. So besteht die Kamera nur aus einem 16-Megapixel-Farbsensor, einer 12-Megapixel-Superweitwinkel-Kamera und einer 8-Megapixel-Telelinse, die für eine zweifache und nicht wie beim Pro-Modell für eine dreifache optische Vergrößerung sorgt.
Der optische Zoom des Mate 20 deckt also nur eine Brennweite von 16 bis 52 Millimetern ab, danach seid ihr auf den Digitalzoom angewiesen. Objekte näher als mit einer Dual-Kamera heranholen, könnt ihr somit mit dem Mate 20 also nicht. Der Superweitwinkel erlaubt es euch aber, größere Gruppen und Gebäuden mit dem Handy leichter einzufangen als mit anderen Modellen. Galaxy S9 und Co bieten in der Regel nur ein 27-Millimeter-Weitwinkelobjektiv.
Einen Hybrid-Zoom, der einen Mix aus optischen und digitalen Zoom darstellt, und für schärfere Bilder bei höheren Zoomstufen sorgt, gibt es beim Mate 20 anders als beim Pro-Modell ebenfalls nicht. Dies dürfte mit der geringeren Auflösung des Hauptsensors zusammenhängen. Schließlich ist das Herzstück der Triple-Kamera des Mate 20 Pro ein 40-Megapixelsensor.
Im Test waren wir von der Kamera des Mate 20 vor allem bei schwachen Lichtverhältnissen enttäuscht. Hier stieß die Triple-Cam für ein Huawei-Handy ungewohnt schnell an ihre Grenzen, was sich in abnehmenden Details und Rauschen äußerte. Zwar müsst ihr in solchen Situationen das Handy nicht gleich in der Tasche lassen, denn es können durchaus noch brauchbare Bilder entstehen. Doch auf einem Level mit dem Pixel 3 XL oder dem Mate 20 Pro spielt das Mate 20 anders als am Tag dann nicht mehr. In der Mediengalerie könnt ihr euch einen eigenen Eindruck von der Bildqualität des Mate 20 machen.
Preis und Verfügbarkeit
Das Huawei Mate 20 ist seit Ende Oktober im deutschen Handel erhältlich. Je nach Anbieter wird das Gerät als Single- oder Dual-SIM-Variante verkauft. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 799 Euro. Aktuelle Preise findet ihr am Ende des Artikels.